In der Augusteer-Halle (von links): Direktor Prof. Dr. Peter Burschel, Holger Bormann und Gitta Connemann. Fotos: Philipp Ziebart
Wolfenbüttel. Wie lässt sich in Deutschland vermehrt der Gründergeist wecken? Wie befreit man die Unternehmer der Republik von den Fesseln der Bürokratie? Das waren zentrale Punkte, über die sich Gitta Connemann, relativ frisch gewählte Bundesvorsitzen-de der MIT, und der MIT-Landesvorsitzende Holger Bormann jetzt austauschten. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) – vormals Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU – ist mit rund 25.000 Mitgliedern der größte parteipolitische Wirtschaftsverband in Deutschland. Gitta Connemann besuchte ihren Parteifreund in der Lessingstadt. Beide waren sich einig, dass die Christliche Union jetzt auf den neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz hofft. „Eine Steuerreform ist unabdingbar“, unterstrich Bormann. Das Gründen einer Firma müsse in Deutschland wieder einfacher werden, „gerade vor dem Hintergrund fortschreitender Digitalisierung“ (Weitere Ergebnisse des Gesprächs auf der folgenden Doppelseite).
Doch der Besuch hatte auch eine freundschaftlich-touristische Note. „Wir haben vereinbart, im Sommer eine Reise durch sämtliche MIT-Kreisverbände Niedersach-sens zu unternehmen“, sagten die beiden, bevor sie einen Spaziergang durch die Wolfenbütteler Altstadt unternahmen. In der Herzog August Bibliothek wurden sie von Direktor Prof. Dr. Peter Burschel empfangen. Der Gast aus Berlin zeigte sich interessiert, wartete aber auch mit Kenntnissen aus dem Veranstaltungssektor auf: „Mittlerweile sind ja die Versicherungen für Ausstellungen so teuer geworden, dass sie einen erheblichen Anteil an der Kalkulation ausmachen.“ Das bestätigte der Direktor: „Bisweilen scheitern Aus-stellungen sogar an diesem Kostenniveau.“
Und er kündigte an, das Evangeliar Heinrichs des Löwen in diesem Jahr anlässlich des 450. Gründungstages der HAB zeigen zu wollen. „Es hat einige Vorarbeit erfordert, aber inzwischen haben alle Eigentümer des Buches zu-gestimmt“, erzählte er über das Werk, das viele Jahre als teuerstes Buch der Welt galt. Fest stehe aber auch, dass das Evangeliar zwar gezeigt werden dürfe, dazu den Tresor aber nicht verlassen dürfe. Gitta Connemann fragte oft interessiert und detailverliebt nach – konnte sich dabei kleine Seitenhiebe auf die politische Konkurrenz nicht immer verkneifen: „Den Vertretern anderer Parteien sind Zahlen ja oft egal“, sagte sie schmunzelnd. Und sie wollte wissen, wie die Bibliothek mit dem Problem „Tintenkrebs“ umgeht, also den Verfallsraten historischer Papiere unter bleihaltiger Tinte. Prof. Dr. Burschel versicherte, dass die sehr alten Handschriften der HAB davon nicht bedroht sind. „Im Mittelalter war das kein Thema.“
Er freute sich erkennbar über das große Interesse seines Gastes aus Berlin. Vor allem als sich he-rausstellte, dass Gitta Connemann ganz neue Kontakte eröffnen könnte. So arbeitet die Politikerin, die für die CDU aus ihrem Wahlkreis in Leer im Bundestag sitzt, unter anderem als Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, ist Mitglied im Beirat des American Jewish Committee Berlin und im Kuratorium Aktion Sühnezeichen. Als sie hörte, dass die HAB zwar über eine Fülle internationaler Kontakte und Stipendiaten verfügt – aber nicht nach und aus Israel –bot sie spontan ihre Hilfe an. „Das ist nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich ein unfassbar wich-tiger Partner, der uns Jahrzehnte voraus ist, zum Beispiel in puncto Digitalisierung.“
Handwerk und Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft gehören nach Meinung von Gitta Connemann eng zusammen. Auf diesen Gebieten zeigte sich die 57-Jährige sehr sattelfest, die im Übrigen auf einen ungewöhnlichen Lebenslauf zurückblickt. Nach dem Abitur in Leer absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Verkäuferin in einem Schuhgeschäft, bevor sie das Jura-Studium in Osnabrück auf-nahm. „Man lernt im Handel nicht nur das Verkaufen, sondern auch Demut“, fasste sie beim Rundgang diese ersten Jahre zusammen. Sie habe größten Respekt vor den Mit-arbeitern der kleinen Firmen, „die zu einem Gutteil auch Psychologen sein müssen“. Aus ihren Erfahrungen heraus sei sie auch gegen verpflichtende Öffnungszeiten am Sonntag. „Ich kann nur sagen: Ich bin froh, dass der Einzelhandel in Deutschland mehr und mehr die Möglichkeiten des Internets für sich entdeckt.“